„Wir sind bereit, mehr für einen Liter Motoröl zu bezahlen als für einen Liter Speiseöl“
Fette und fetthaltige Nahrungsmittel wurden in den letzten Jahrzehnten mit vielen Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht oder Diabetes in Verbindung gebracht und verteufelt. Heute begegnen uns in Lebensmittelläden vermehrt Pflanzenfette und -öle, es gilt als modern mit Kokosöl zu kochen. Kann Fett gesund sein? Und was macht gutes Fett aus? Wir fragen Sabine Pohl, Diplom-Agraringenieurin, Ölexpertin und Autorin des Fachbuches „Das Ölbuch. Pflanzenöle kompakt erklärt“.
Aromapflege (A): Sabine, warum vermeiden bzw. meiden wir Fett beim Essen?
Sabine Pohl : Natürlich ist es naheliegend zu denken Fett mache fett. Vor ca. 30 Jahren war das ein Riesenthema in den USA, da versuchte man Fett aus allen Lebensmitteln zu verbannen. „Light“ oder „0% Fett“ Produkte überschwemmten den Markt. Die Wissenschaft hat das längst revidiert, die Leute sind dadurch nicht gesünder oder schlanker geworden. Schließlich musste man in den Produkten das fehlende Fett ersetzen, zum Beispiel durch Kohlenhydrate. Die Leute haben mehr gegessen, denn Zucker kurbelt Hunger an. Fette hingegen machen länger satt. Heute weiß man, dass bestimmte Fettsäuren einen Vitamincharakter haben und dass wir sie brauchen, damit unser Stoffwechsel einwandfrei funktioniert. Das beste Beispiel dafür ist Leinöl - das gibt es mittlerweile in allen Supermärkten, weil die Nachfrage da ist. Oder Omega-3, auch das hören und lesen wir ständig, mittlerweile wissen wohl die meisten Menschen, dass diese Fettsäuren gesund sind. Früher hat man einfach viel weniger gewusst über Fette und ihre gesundheitliche Bedeutung. Das hat sich zum Glück in den letzten 30 Jahren sehr verändert.
A: Hörst Du dennoch hin und wieder Vorurteile gegenüber Fetten und Ölen?
Pohl: Nein, Vorurteile höre ich eigentlich keine mehr. Es ist mehr so, dass die Leute interessiert sind, wenn sie erfahren, dass ich mit Pflanzenölen arbeite. Ich sehe eher den positiven Trend hin zu hochwertigen Pflanzenölen, deren Vielfalt mittlerweile sehr geschätzt wird.
A: Sind tierische Fette schlechter für unsere Gesundheit?
Pohl: Nein. Ich zum Beispiel bin ein großer Butterfan. Butter ist ein tolles, tierisches Fett: es ist super verdaulich, schmeckt gut und in Form von Butterschmalz (Anm: Gheebutter) ein wunderbares Fett zum Erhitzen. Idealerweise kommt es aus heimischer Bio Produktion, man muss ja auch an unsere Bauern denken. Außerdem gilt, wenn ich auf gute tierische Produkte achte, dann hat dieses tierische Fett eine absolut andere Qualität, das hat nix mit Industriebutter zu tun. Das beginnt schon bei der Tierhaltung. Gerade bei euch in Österreich wird noch viel Wert auf Weidehaltung gelegt. Wenn die Kuh gesund ist und auf der Weide frisches Gras frisst, hat die Milch am Ende eine bessere Qualität. Sie ist dann nachweislich hochwertiger, in Bezug auf Vitamingehalt oder der Fettsäure-Zusammensetzung. Genau das steckt schlussendlich auch in der Butter.
A: Nun haben viele tierische Fette einen hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Diese Fettsäuren stehen immer wieder in der Kritik, zuletzt beim Kokosfett. Was denkst Du dazu?
Pohl: Gesättigte Fette sind an sich nicht schlecht. Wir finden sie in Butter aber auch in Kokosfett. Zum Hocherhitzen zum Beispiel sind sie perfekt. Fette mit einem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren sind die einzigen, die ich zum Beispiel zum Braten verwenden soll. Es kommt auch auf die Länge der Fettsäureketten an. Mittelkettige Fettsäuren, wie sie zum Beispiel im Kokosfett vorkommen, sind leicht verdaulich, die können quasi direkt durch die Darmwand in die Blutbahn gelangen. Kokosfett enthält auch Laurinsäure, von der wissen wir, dass sie antibakteriell wirkt. Aber man sollte immer das gesamte Spektrum der Fette nutzen, denn der Körper braucht verschiedene Fettsäuren. Würde ich zum Beispiel immer nur Olivenöl verwenden, hätte ich irgendwann einen Mangel an den lebenswichtigen Omega-3 Fettsäuren, denn diese sind im Olivenöl nicht enthalten.
A: Was ist „gutes“ Pflanzenfett bzw. -öl?
Pohl: Gutes Pflanzenfett ist an erster Stelle bio und nativ, also naturbelassen. Da ist alles drin was die Pflanze mitliefert: die Fettsäuren aber auch die Fettbegleitstoffe, wie beispielsweise sekundäre Pflanzenstoffe. Diese sind die Apotheke der Pflanze und die kann ich auch für meine Gesundheit positiv nutzen. Das schmecke und sehe ich dann… ( überlegt kurz) Aus jedem Öl kann ich reines Fett gewinnen, ohne Farbe oder Geruch. Die Industrie macht das, da werden Öle raffiniert, damit ein Produkt ohne Geschmack oder Geruch herauskommt. Dabei ist das genau das Gute und Gesunde am Pflanzenöl! Gutes Olivenöl zum Beispiel ist kratzig, wegen den Polyphenolen, die vor freien Radikalen schützen. Oder Rapsöl: gutes Rapsöl hat einen starken Eigengeschmack und eine kräftig gelbe Farbe. Diese Inhaltstoffe will ich 1:1 drin haben, aber dann muss ich auf Bio-Anbau achten, ohne Pflanzenschutzmittel, denn auch negative Substanzen bleiben im Öl drinnen, wenn es nicht raffiniert wird.
A: Warum gibt es überhaupt Pflanzenöle ohne Geschmack und Farbe auf dem Markt?
Pohl: Gute Öle und Fette haben ihren Preis. Da wir aber eher bereit sind, für einen Liter Motoröl mehr Geld zu bezahlen als für einen Liter Speiseöl, stellt die Industrie Pflanzenöle her, die billig, geschmacklos und lange haltbar sind. Mit naturbelassenen Ölen geht das nicht, die bringen Farbe und Geruch mit und das macht im Handel „Probleme“. Auch in der Kosmetik, will man vermeiden, dass Produkte zum Beispiel nach Olivenöl riechen. Aber wie gesagt, die gesundheitlich wertvollen Substanzen finden wir nur in nativen Pflanzenölen und -fetten aus kontrolliert biologischem Anbau.
A: Hast Du abschließend noch einen persönlichen „Öltipp“ für uns?
Pohl: Ölziehen! Das wird viel zu wenig gemacht, dabei ist es so effektiv. Jeder sollte Ölziehen zur täglichen Routine machen. Eine Anleitung dazu steht auch in meinen Buch. Und ich bin immer noch die Leinöl-Päpstin. Leinöl bringt so viele Vorteile: es ist ein heimisches Produkt, Lein ist eine unserer ältesten Kulturpflanzen. Schon ein Teelöffel Leinöl liefert mir so viel Omega-3 Fettsäuren, wie ein große Portion Fisch. Da ist es doch einfacher, zu essen was hier wächst.
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Zur Person: Sabine Pohl ist diplomierte Agrarwissenschafterin und arbeitete bei einem der bedeutendsten Naturkosthersteller, wo sie hochwertige Pflanzenöle in den Markt einführte. Weiters hat sie für besonders kostbare Öle ein eigenes, extrem schonendes Pressverfahren entwickelt, das auch bei unseren Pflanzenölen (Samenöle) angewendet wird.
Hier findest Du unsere Auswahl an kaltgepressten fetten Pflanzenölen und -fetten: https://www.aromapflege.com/bio-pflanzenoele-lebensmittel
Seminartipp: "Gesunde Ernährung mit Pflanzenölen – Macht Fett fett? Was Du über Rapsöl, Olivenöl, Margarine & Co nicht wusstest": https://www.aromapflege.com/Lebenselixier-Pflanzenoel
Lesetipp: Pohl, S. (2015): Olivenöl – Mediterrane Köstlichkeit. In: Magazin Hand in Hand, Ausgabe 4. https://issuu.com/evivre/docs/aromapflegemagazin_2015-4_isuu